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Die Schweizer Equipe zwischen Traum und Wirklichkeit
Orientierungslauf: Die Weltmeisterschaften finden erstmals seit 1989 wieder in Skandinavien statt

Sechs Medaillensätze werden diese Woche an den 17. Orientierungslauf-WM im norwegischen Grimstad verteilt. In zwei Kategorien geht die Schweiz als Titelverteidiger ins Rennen. Die Favoritenrolle im äusserst anspruchsvollen Gelände liegt jedoch bei den Skandinaviern.

RAINER SOMMERHALDER, GRIMSTAD

Jede Serie geht einmal zu Ende. Diese Regel gilt auch für die Schweizer Orientierunglsäufer, die an der WM 1991 in Tschechien als erste nichtskandinavische Nation sensationell Staffel-

Gold eroberten und diesen Titel seitdem wider alle Prognosen zweimal verteidigten (1993 USA, 1995 Deutschland). Doch noch nie sprachen die Fakten derart gegen einen erneuten Schweizer Triumph wie dieses Jahr im typisch norwegischen Gelände mit vielen Felsen und Sümpfen, aber mit kaum Wegen und Strassen durch den scheinbar unendlichen skandinavischen Wald.

Die Wirklichkeit weist Hoffnungen auf eine erneute Titelverteidigung ins Land der Träume. Noch nie wurde ein nichtskandinavisches Land an einer skandinavischen WM Weltmeister, 1989 im schwedischen Skövde landete die Schweizer Männer-Staffel beim letzten Kräftemessen im nordischen Wald auf dem fünften Rang.

Trotzdem ist die Zielsetzung des Schweizer Teams mit Staffel-Medaillen sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen hoch angesetzt. Und dennoch sprechen sogar die Läufer von der Möglichkeit eines vierten Titels. Erstens hat die unglaubliche Serie den Schweizern eine mentale Stärke eingeimpft, die selbst die norwegischen und schwedischen Topläufer im direkten Kampf Mann gegen Mann zu lähmen imstande ist. Zweitens haben sich noch nie so viele Schweizer Orientierungsläufer derart professionell auf eine WM vorbereitet wie in diesem Jahr. Praktisch das ganze zehnköpfige WM-Team (fünf Männer und fünf Frauen) hat sich während Wochen, ja während Monaten in norwegischen Stützpunkten auf diesen Anlass vorbereitet. Man hat in diesen Trainingslagern versucht, den natürlichen Rückstand auf die Skandinavier in «ihrem» Gelände so klein wie möglich zu machen.

«Es gibt eine WM für die Norweger», meint der zweifache Weltmeister Alain Berger dennoch. Der Qualifikationswettkampf zum klassischen Einzellauf, der Königsdisziplin im OL, hat unterstrichen, dass eine nichtskandinavische Medaille in den beiden Disziplinen klassisch und kurz einer grossen Überraschung gleich käme. Bei den Schweizern verzichtet der Endinger Thomas Bührer, an der letzten WM in Deutschland als 15. immerhin bester Schweizer, auf den Einzelwettkampf. Er hat nach einer Verletzungsserie erst vier Wochen regelmässiges Training in den Beinen und befürchtet im Hinblick auf die Kurzstrecke und die Staffel einen zu grossen Substanzverlust. Erst recht bei den in Norwegen zurzeit herrschenden Bedingungen mit Temperaturen bis zu 30 Grad und einer tropisch anmutenden Luftfeuchtigkeit. Darunter leiden neben den rund 350 Läuferinnen und Läufern aus 37 Nationen auch die 225 akkreditierten Journalisten. Die WM zum hundertjährigen Jubiläum des OL-Sportes in Norwegen stellt auch punkto Grösse neue Rekorde auf.

Im Schatten der Schweizer Staffel-Serie gingen die Frauen an den letzten Weltmeisterschaften immer etwas unter. Dabei gelang Marie-Luce Romanens 1995 mit dem Gewinn des WM-Titels über die Kurzstrecke der grösste Schweizer OL-Erfolg aller Zeiten. Und auch wenn vorab die Skandinavier die kleine Freiburgerin vorschnell als Zufalls-Weltmeisterin abstempelten, hat die Freundin von Bührer in den letzten zwei Jahren weiter Fortschritte gemacht und ist auch im skandinavischen Gelände zu einer Topleistung fähig. Der dritte Rang der 24jährigen im Qualifikationsrennen soll für die Gegnerinnen Warnung genug sein. Überhaupt führt Marie-Luce Romanens ein Schweizer Frauen-Team an, dass punkto Routine und Leistungsstärke den Männern in nichts nachsteht und dies mit einer eindrücklichen Ausgeglichenheit im ersten Wettkampf auch unter Beweis gestellt hat. Wenn es den Schweizerinnen endlich einmal gelingt, die Nerven im entscheidenden Moment in den Griff zu bekommen, dann darf man auch bei den Frauen in der Staffel träumen . . .

Aargauer Zeitung vom 16.8.1997


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